Brückners Zeitzeichen
Vorsicht, Raucherabteil! Was Zigarren und Uhren verbindet
In diesem Moment hat sich Helmut Bührle für wenige Sekunden vom Alltag verabschiedet. Er blickt aus dem Fenster seines Schlosses hinunter ins satte Grün des gepflegten Parks – und bringt sein Credo auf den Punkt: „Es geht nicht um Genuss, sondern um die Kultivierung der Sinne für alles Schöne und wirklich Gute“. Der Inhaber der Firma Laura Chavin in Hochdorf bei Stuttgart, die mit die edelsten und teuersten Zigarren auf den Luxusmarkt bringt, schaut nun verliebt auf seine Uhr aus einer Schweizer Edelmanufaktur. Dabei interessiert ihn nicht die Zeit, sondern einfach nur die Schönheit: „So unterschiedlich eine hochwertige Uhr und Zigarren auch sein mögen – es gibt doch Gemeinsamkeiten. Die Konsequenz, bis zum letzten, vermeintlich unscheinbaren Detail auf kompromisslose Qualität zu achten, das ist es, was aus guter Ware exzellente Ware macht“.
Wir treffen Helmut Bührle in Schloss Hochdorf, seinem standesgemäßen Firmensitz, und sprechen ebenso lange über Uhren wie über Zigarren. Dabei lässt er keinen Zweifel, was für ihn gleichsam die Krönung der Haute Horlogerie ist: „Eindeutig Patek Philippe“.
Nichtraucher mögen die Nase rümpfen: Zigarren und Uhren, wie kann man beides nur vergleichen? Selbst wer sich nur jeden zweiten Tag eine Zigarre von Laura Chavin anzündet, lässt innerhalb von zwei Jahren fast schon den Gegenwert einer Stahl-Rolex in Rauch aufgehen. Dabei wäre es sicher der Gesundheit förderlicher, in einen Nobelticker zu investieren.
Gleichwohl, Genüsse sind immer steigerungsfähig. Nicht von ungefähr servieren stilvolle Juweliere ihren Kunden bei der Auswahl der nächsten Luxusuhr gern mal ein Gläschen Champagner. Und auch zwischen Uhren und Zigarren gibt es eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Vor vielen Jahren besuchte ich Zino Davidoff in Genf. Markenspreizung und Imagetransfer waren für den Grandseigneur der gehobenen Zigarrenkultur kein Thema. „Man muss sich auf das konzentrieren, was einen stark gemacht hat – und das sind meine Zigarren“, übersetzte Davidoff das alte deutsche Sprichwort: Schuster, bleib‘ bei deinen Leisten.
Doch inzwischen ist der Name Davidoff sogar bei Nichtrauchern zum Synonym für höchste Qualität avanciert. So konnte es nicht lange dauern, bis auch Davidoff-Uhren auf den Markt kamen. Der elegante Chronograph „Very Zino“ hat inzwischen sogar so manchen nichtrauchenden Uhrenfreund überzeugt.
Ganz bewusst auf die Analogie zu edlen Zigarren setzt die mittlerweile Schweizer Marke Cuervo y Sobrinos, was freilich deren kubanischen Wurzeln geschuldet ist. Die Uhrenkollektionen tragen die Namen berühmter kubanischer Zigarren: Esplendidos, Prominente, Robusto und Torpedo. Damit stellt die traditionsreiche, zwischenzeitlich aber über viele Jahre in Vergessenheit geratene Marke eine Verbindung her zur besonderen Lebens-Art im Havanna des zu Ende gehenden 19. und während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ob Raucher oder Nichtraucher, wer heute eine Uhr von Cuervo y Sobrino ersteht, erhält sie in einem Original-Humidor.
Dass die Schnittmenge von Uhrenfreunden und Zigarrenrauchern recht groß ist, hat vielleicht sogar psychologische Gründe: Uhren und Zigarren sind „Entschleuniger“. Wer eine edle mechanische Uhr am Handgelenk trägt, will nicht nur die Zeit ablesen, sondern sich mitten im Alltag beim Anblick seines Zeitmessers ästhetischen Genuss gönnen. Und dem Zigarrenraucher geht es nicht um hektischen Nikotinkonsum in Massen, sondern um kontemplativen Genuss in Maßen. Jene, die sich nicht in dieser Schnittmenge befinden, werden sich vielleicht schwertun, dies nachzuvollziehen. Alle anderen aber wissen, was ich meine.